Von Qingdao nach New York! Eindrücke und Erlebnisse eines Seglers im Clipper Round The World Race - hier klicken!
Am 1. September startete in London das Clipper round The World Race 2013/14. In 16 Wettfahrten, verteilt auf 8 Etappen, segeln 678 Amateure auf zwölf 70-Fuß-Yachten um die Welt.
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Die Clipper 70, konstruiert von Tony Castro, sind die Racer der neuen Generation. Sie ähneln mit ihren Kimmkanten ("chines") und den breiten Gleithecks den Volvo-70ern, haben aber einen festen Kiel und weniger Tiefgang und sind mit über 30 Tonnen doppelt so schwer. 20 Mann Crew sind an Bord, aufgeteilt in zwei Wachen. Im Vergleich zu den 68er-Clippern, die klassische Verdrängerboote waren, ist die neue Generation deutlich schneller.
Das „Clipper Round the World Race“ findet alle zwei Jahre statt. Das Rennen 2013/14 startete am 1. September erstmals in London und führt in acht Etappen um die Welt. Einige werden von Start bis Ziel in einem Stück gesegelt, andere bestehen aus zwei bis vier Einzelrennen. Wer Jahr um Jahr davon träumt, eines Tages mit dem eigenen Boot den Atlantik zu überqueren oder die Welt zu umsegeln, für den könnte die Regatta eine Alternative sein.
Es beginnt mit einer Bewerbung auf der Clipper-Website. Dann wird man zu einem Interview eingeladen, das 100 Pfund kostet. Das Geld wird einem auf die späteren Ausgaben angerechnet, wird der Bewerber abgelehnt, bekommt er 75 Pfund zurück. Wer nicht bereit ist, die 100 Pfund fürs Interview als ersten Einsatz auf den Tisch zu legen, der dürfte auch später zögerlich sein, wenn es wirklich ins Geld geht. Der Veranstalter spart auf diese Weise viel Redezeit.
Gesegelt wird auf 23-Meter-Schiffen, die ein normaler Segler nicht beherrscht und die er sich auch als Charterer nicht leisten könnte. Während das professionelle Volvo Ocean Race gerade Abschied von den 70-Füßern genommen und die 65er-Einheitsklasse ins Leben gerufen hat, ist das Clipper-Rennen auf größere Schiffe umgestiegen. Volvo brachte letztes Mal gerade mal sechs Schiffe an den Start, Clipper rüstete von zehn auf zwölf hoch. Die Volvo-70er waren nach einer Regatta verbraucht oder zumindest veraltet, die Clipper sind dafür geschaffen, dreimal um die Welt zu gehen und danach immer noch was wert zu sein. Ein Rennen wie das Volvo ist für Normalbürger unbezahlbar, das Clipper Race wird genauso ernsthaft gesegelt und professionell gemanagt, ist aber für Amateure gemacht.
Portsmouth im Mai 2013. In der ehrwürdigen Guild Hall treffen sich einige hundert Segler in roten Jacken, die fast so aufgeregt sind wie Kinder vorm ersten Schultag. Es ist Crew Allocation Day, der Tag, an dem aus der Masse von 600 Seglern zwölf Crews werden, die einen Skipper haben, und damit ein Gesicht. Ein Gesicht fällt dabei besonders auf – Vicky Ellis (31) aus Bristol ist die einzige Frau unter den zwölf Schiffsführern. Und noch etwas könnte schon auffallen (tut es aber nicht): In ihrer Crew sind auffällig viele Schweizer und Deutsche, die in der Schweiz leben. Aus „Team Vicky“ wird wenig später, als der Sponsor bekannt wird, „Team Switzerland“. Der Verband „Swiss Sailing“ sponsort das Schiff und will damit, so heißt es auf der Generalversammlung 2012, „dem ambitionierten Fahrtensegler oder Nichtsegler die Möglichkeit geben, sich an einem nichtalltäglichen Segelabenteuer zu beteiligen“. Gleichzeitig wirbt er damit für sich selbst und seine sportlichen Aktivitäten.
Das „nichtalltägliche Segelabenteuer“ ist – aus der Perspektive des Normalverdieners – auch nicht ganz billig. Allein das Training kostet, inklusive Ölzeug, 4800 Pfund, Anreisen nicht mitgerechnet. Andererseits ist das Rennen bezahlbar, vom Standpunkt eines Yachteigners betrachtet. Denn wer, außer den wirklich Wohlhabenden, kann mit einer Rennyacht dieser Größe auf solchen Kursen unterwegs sein? Das „Clipper Round the World Race“ macht es einem normalen Segler möglich. Es kostet ihn soviel wie ein Auto, das ist verkraftbar.
„Der See ist völlig egal, ob du Krankenschwester, Lkw-Fahrer oder Beamter bist. Es zählt nur, was einer kann“, sagt Englands Segler-Legende Sir Robin Knox-Johnston, Erfinder und einer der Veranstalter des Rennens. Ihm und seinem Team wiederum ist es völlig egal, ob und wie gut einer segeln kann. Wer bei der Bewerbung den Eindruck macht, dass er es ernst meint und menschlich in Ordnung ist, der hat eine Chance. Wenn die Teilnehmer erstmal ausgewählt sind, dann sorgen die Trainer dafür, dass sie alles lernen, was sie können sollten. Knox-Johnston war Kapitän auf Handelsschiffen und Navy-Freiwilliger, er weiß, was eine solide Ausbildung ist. Ein Drittel aller Teilnehmer war nie auf einer größeren Yacht, bevor es mit dem Training losging. Danach sind sie vollwertiger Teil ihres Teams. Bei Tag, bei Nacht und im Notfall.
Das Training umfasst Theorie, einen Grundkurs und zwei Aufbaukurse. In den 4800 Pfund sind Henri-Lloyd-Ölzeug und Crew-Kleidung enthalten. Die ersten zwei Trainings finden auf Clipper-68-Yachten statt, die schon in den letzten drei Weltrennen gesegelt sind. Erst beim dritten Training, in dem die "Schweizer" erstmals mit ihrer Skipperin segeln (und sie als exzellente Ausbilderin kennenlernen), geht es auf die 70er Clipper.
Ein kalter Wind pfeift über die St. Katharine Docks an Londons Tower Bridge. In einem Zelt erläutert Clipper-Manager David Cusworth (44) sechzig Zuhörern – überwiegend Anwärter auf einen Platz im Rennen – das Geschäftsprinzip von Clipper Ventures. „Wir nehmen Ihnen einen Haufen Geld ab, und dafür machen wir Sie nass, kalt und müde. Es gibt schlechtes Essen, das Sie sich selbst zubereiten müssen. Aber wir geben Ihnen auch ein Boot im Wert von einer Million Pfund, in der Hoffnung, dass Sie es in elf Monaten zurück bringen. Irgendwas geht immer zu Bruch, aber bitte machen Sie nicht zuviel kaputt.“
Beim letzten Rennen lief ein Schiff in der Java-See auf ein Korallenriff. Das Schiff war zwar da, wo der Skipper es haben wollte, aber ein in der Karte verzeichnetes Riff war es nicht, sondern unter dem Schiff. Andere Clipper-Racer retteten die Crew, das Schiff war verloren. Sonst ist, im Vergleich zu den spektakulären Regatten dieser Welt, nicht viel passiert. Ein Schiff verlor nach einer Kenterung im Nordpazifik den halben Mast und lief danach immer noch 20 Knoten im Sturm. Auf mehr als zwei Millionen gesegelten Meilen waren nur drei echte Mann-über-Bord-Manöver nötig, alle gelangen. Im Rennen 2013/14 sollte es zu einem weitere Mann-über-Bord-Fall kommen, und diesmal wurde der Mann erst nach 90 Minuten aus dem eiskalten Wasser gerettet. Knapp.
An Bord ist nichts davon zu spüren, dass die Skipper bezahlte Schiffsführer und die Crew zahlende Gäste sind. Die Skipper sind ehrgeizig. „Wenn du nur mitfährst, um Delfine und Sonnenuntergänge zu sehen, könnte das den Skipper auf den Gedanken bringen, dass er dich ein bisschen rannehmen muss“, sagt Cusworth, selber Teilnehmer beim Race 2002. Die Skipper sind ehrgeizig. Alex Thomson, der im letzten Vendée Globe mit einem älteren Schiff einen hervorragenden 3. Platz belegte, gewann als Clipper-Skipper das Rennen 1998.
Zwanzig Leute sind an Bord eines Schiffes. Es ginge auch mit weniger, aber für risikoarme Manöver ist ausreichendes Personal eine Voraussetzung. Außerdem soll es ja ein Geschäft sein. Dass da so viele Menschen auf engstem Raum miteinander unterwegs sind, führt zu Stress, zu Freundschaften und zu Reifungsprozessen. Für viele werden bereits die drei Trainingswochen ein unvergessliches Erlebnis. Cusworth: „Wenn beim Training alle zehn Minuten Segelmanöver gefahren werden, ist das härter als manche Etappe.“ Trotzdem schwärmen die Leute von den Wochen vor dem Start, denn sie erwerben Können und Selbstvertrauen. Das Training schweißt die Menschen an Bord zusammen. Nach dem Crew Allocation Day beginnt dann der endgültige Prozess, ein großes Team zu bilden.
Über 20.000 Interessenten haben sich für das Rennen 2013/14 die Bewerbungsunterlagen heruntergeladen. 1100 ernsthafte Bewerbungen waren bis zum Start des Rennens eingegangen. Wer vor Problemen an Land davonläuft oder ein weltfremder Romantiker ist, wird schon in den Bewerbungsinterviews heraus gefiltert. Das Auswahlverfahren ist geheim, die Bewerber werden nach den Interviews akzeptiert – oder nicht. Außerdem werden sie während der drei Trainings in der Praxis beobachtet und beurteilt. Wenige korrigieren ihre Entscheidung dann noch einmal. Von den rund 680 Teilnehmern sind rund 100 während des ganzen Rennens dabei, die anderen nur auf einer oder mehreren Etappen.
Wer nur eine Etappe segeln will, muss für Ausbildung und Ausstattung (4800 Pfund) und die Etappe (zwischen 4558 und 5618 Pund) umgerechnet 15.000 Euro ausgeben, denn Reisekosten, Impfungen, Visa und Verdienstausfall kommen noch dazu. Ferner braucht er mindesten 60 Tage für Reisen, Training und Rennen. Das ist mehr, als die meisten Angestellten an Urlaub haben. Die ganze Regatta kostet im Paket 43.070 Pfund. Manche machen danach gleich den Yachtmaster Ocean, nach der Devise „gelernt ist gelernt“. Sie werden Profisegler oder machen etwas anderes mit Booten. Die meisten aber nehmen ihr Familenleben an Land und ihren Beruf wieder auf – um ein Abenteuer und ein paartausend Seemeilen Erfahrung reicher.
Hans-Harald Schack ist Journalist und segelt. Er schreibt Magazin-Reportagen und Bücher, macht Lektorate und Übersetzungen. Mit dem Clipper Round The World Race segelte er von China nach San Francisco und durch den Panama-Kanal in den Atlantik. Sein Web-Log und Reportagen darüber gibt es als e-Book und als Buch: "Von Qingdao nach New York". Zur Zeit ist er mit dem 1971 gebauten S&S-Halbtonner "Topas" in Nordeuropa unterwegs. Das Schiff ist übrigens zu verkaufen!