Unter Gentlemen

Sir Robin und der Nachwuchs

(Im August 2009)

 

Während der Cowes-Week hatte Robin Knox-Johnston („RKJ“) Gäste auf seiner Open 60 „Grey Power“: Michael und Ghita, die beim dänischen Fensterbauer Velux für Sponsoring und Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind, und ausgewählte frei- bzw. nebenberufliche Segeljournalisten.

 

Tim, der PR-Manager des Velux 5 Oceans, hat eine Kiste Sandwiches an Bord schaffen lassen. Die Crew besteht aus Doug und Hannah. Doug sieht mit seinen etwas längeren, lichten Haaren und der Hornbrille wie ein Professor für Literatur aus, Hanna trägt einen Ring am zweiten Zeh rechts. Beide sind Profisegler, die beim letzten „Clipper“-Race Yachten mit Amateur-Crews um die Welt geskippert haben. Gute Leute. Weil Knox-Johnston am nächsten Tag am Open-60-Rennen um die Isle of Wight teilnimmt, vervollständigt Luis die Crew, ein 18jähriger Fußball-Torwart aus Texas.

 

Einer der ausgewählten Journalisten steuert, Knox-Johnston steht am Bug und lotst ihn mit Handzeichen durch ein Regattafeld. „Ich will nicht, dass irgendwer nachher behauptet, er hätte dem ollen Knox-Johnston ausweichen müssen“, sagt er, als wir an der Mooring-Boje vor Cowes festgemacht haben.

 

Knox-Johnston ist – wir erwähnen dies für die Jüngeren – einer der bekanntesten in einer ganzen Reihe bekannter britischer Segler. Er war der erste, der solo und nonstop die Welt umsegelte (1967/68 im Golden Globe Rennen, in dem der Franzose Bernard Moitessier, auf dem 2. Platz liegend, im Südatlantik Richtung Tahiti abbog). Er unterbot mit Peter Blake auf „Enza New Zealand“ in 74 Tagen die Jules-Verne-Marke von 80 Tagen. Er gewann das Round Britain und gründete die Clipper-Regatten, bei denen Amateure zu Hochseeseglern ausgebildet werden und dann um die Welt racen. Jetzt kniet Sir Robin vor einem texanischen Torwart an Deck und zeigt ihm, wie das Spi-Fall anzuschlagen ist. Später am Tag schleust er Duggy in die örtliche Bastion der maritimen society ein, die Clubräume der Royal Yacht Squadron, um ihn mit ein paar Leuten bekannt zu machen.

 

Auf den britischen Inseln sind die Gentlemen mitunter wunderliche Leute. Der Thronfolger wurde am Red Nose Day mit roter Clownsnase gesichtet, die signalisiert, dass er wohltätige Zwecke unterstützt. Ein Herr des Squadron-Regatta-Komitees trägt zu Schirmmütze, Blazer und weißer Hose knallrote Socken. Knox-Johnston hat das Ölzeug gegen eine bügelfaltenfreie blaue Hose und ein weißes Polo-Shirt getauscht, Duggy trägt salzverkrustete Timberlands. Auf den klassischen Squadron-Yachten im Hafen, die statt des zivilen „Red Ensign“ die Kriegsflagge „White Ensign“ am Heck führen, rauchen coole Jugendliche Zigaretten. Sie werden vielleicht, aber nicht notwendigerweise zu gentlemen.

 

Die Briten und die Franzosen haben eine angenehme Art, gewisse Tugenden in ihrer Gesellschaft zu honorieren. Knox-Johnston wurde für eine Weltumsegelung geadelt, Francis Chichester auch. Francis Drake wurde für eine Weltumsegelung geadelt, bei der er der Krone reichlich Geld einbrachte. Er war ein Pirat, der auf eigene Rechnung (und mit der Lizenz zum Räubern, dem Kaperbrief) den französischen Handel schädigte. Die Königin bezeichnete ihn im kleinen Kreis als Schurken, bevor sie ihn auszeichnete. Im Grunde ist der gesamte Adel aus Gangs hervorgegangen‚ die mit dem Schwert kassierten, aber das Ergebnis kann sich nach einigen Jahrhunderten sehen lassen. Viele haben Vermögen und gute Umgangsformen. Auch Monaco war einst ein Piratennest.

 

Der heutige Niederadel wird nicht mehr für Raub und Mordbrennerei geehrt, sondern für sonstige hervorragende Leistungen. Pete Goss wurde französischer Ritter der Ehrenlegion, weil er beim Vendée Globe den schiffbrüchigen Raphael Dinelli rettete und sich selbst dabei in beträchtliche Gefahr begab. Die meisten englischen Seehelden werden in den Ritterstand erhoben. Naomi James und Ellen MacArthur sind „Dames" (DBE), Ben Ainslee wurde zum CBE (Commander of the Most Excellent Order of the British Empire) ernannt. Hans-Otto Schümann war der erste Deutsche, der nach dem 2. Weltkrieg in friedlicher Absicht in Cowes erschien, er war nach Kaiser Wilhelm II. auch der einzige Deutsche, dem die Ehre einer Mitgliedschaft in der Royal Yacht Squadron zuteil wurde. „Sir Otto“ blieb allerdings eine inoffizielle Ehrenbezeichnung.

 

Die Deutschen haben ihr Bundesverdienstkreuz, das sich die politische Kaste vor allem gegenseitig verleiht, und Segler sind unter den Ausgezeichneten seltener als Golfer. Die breite Masse an der Kieler Förde kennt verdiente Leute wie Gunther Persiehl und Thorsten Rümmeli nicht. Aber wen sollte der Bundespräsident auch auszeichnen? Deutschlands Profisegler gehen ihrer Arbeit eher unauffällig nach (wie Deutschlands Profi-Tischler und Profi-Zahnärzte), und der letzte deutscherHochsee-Rekordjäger hatte ein Geschwindigkeits- und ein Orientierungsproblem. Allerdings keimt Hoffnung an der Küste.

 

Als Knox-Johnston wieder an Bord ist, kommt ein Motorboot mit einem TV-Team vorbei und ein Mann im Frack reicht ihm eine Flasche Champagner. Sir Robin weiß nicht genau wofür, aber er nimmt sie beherzt an. Ein Gentleman genießt und schweigt. Vor allem denkt er auch an andere. Wir trinken den Schampus aus roten Plastikbechern.

 

 

Robin Knox-Johnston auf "Grey Power"
RKJ auf seinem Open 60 "Grey Power"

Knox-Johnstons größter Triumph: Die Rückkehr von der ersten Nonstop-Einhand-Weltumsegelung. Den Sonderpreis für die schnellste Reise stiftet er der Witwe seines Konkurrenten Donald Crowhurst