15. Dezember - Armel Le Cléac'h liegt jetzt 320 Meilen vor Thomson und hat besseren Wind. Er segelt insgesamt auch schneller. Wenn kein Wunder geschieht, kann der gehandicapte Thomson den Sieg abschreiben. Sogar der zweite Platz ist keineswegs sicher, denn erstens kann immer was kaputtgehen, und zweitens ist die Strecke von Kap Hoorn bis Les Sables nicht ideal für Foiler. Jean-Pierre Dick ("St. Michel-Virbac") ist wegen Sturm durch die Bass Strait gegangen, was nach einem größeren Umweg aussieht, ihm aber kaum geschadet hat. Im Moment segelt er schneller als der Rest (Foto unten). Das Rennen bleibt spannend.

12. Dezember 2016, the race is on. "Hugo Boss" (mit abgebrochenem Stb.-Foil) und "Banque Populaire" duellieren sich seit über 12.000 Meilen, die Verfolger liegen 1000 Meilen achteraus.

6. November 2016. Das Vendée Globe 2016/17 ist gestartet, nach 24 Stunden sind alle Foiler (bis auf "No Way Back")  vorn. Vincent Rious "PRB" liegt auf dem 4. Platz. Aber noch sind 24.000 Meilen zu segeln. Ein fachkundiger, wenn auch nicht unparteiischer Beobachter glaubt, dass die meisten Foiler ausfallen werden. Warten wir's ab, und verfolgen wir das Rennen per Handy-App und am Tracker auf dem PC (vendeeglobe.org). Jeder Tag ist für Überraschungen gut. 

Vier Stunden vor dem Start

 

Vendée Globe 2016/17

Ankommen ist der halbe Sieg

(aus SEGEL-Journal 5/16)

Viele Regatten schmücken sich mit Superlativen. Während einige von ihnen sich mit Sponsoren-Schwund und abnehmenden Teilnehmerzahlen schwer tun, ist das Vendée Globe so attraktiv wie nie zuvor. Der Veranstalter hat das auf 27 Boote limitierte Starterfeld auf 30 Boote erhöht. Am Start ist die Crème der französischen Seglerszene, dazu neun Ausländer (aber keine Deutschen).

 

Im Grunde könnte das diesjährige Vendée Globe in zwei Klassen stattfinden – Foiler und konventionelle Boote. Foiler sind bei Downwind-Rennen wie dem Vendée Globe im Schnitt 3 Knoten schneller als die normalen Schwertboote. Bereits ein halber Knoten mehr Speed macht am Ende des Tages volle 12 Meilen Vorsprung aus, was bis Kap Hoorn mehr als 600 Meilen ergibt. Es ist klar, dass mit perfektem Segeln ein solcher Vorteil kaum auszugleichen ist. Und bei den neuen Imocas geht es nicht um einen halben Knoten, sondern um drei.

 

Beim letzten Testlauf vor dem Start des Vendée, im Azimut-Race bei Lorient (289 Meilen) belegten Foiler die ersten drei Plätze. In der New York – Vendee Regatta im Juni fuhr Alex Thomson beim Start allen davon, bevor sein Autopilot ihm einen Streich spielte und ihn für ein paar Stunden aus dem Rennen nahm. Das Rennen gewann Jérémie Beyou mit Maitre CoQ – ebenfalls mit Foils. „Wenn ein Foiler das Transat oder die Rückregatta gewinnt, sind die Weichen fürs Vendée gestellt“, hatte Sébastien Josse vorher orakelt. Allerdings sind neun Tage über den Atlantik gegen das Vendée Globe (Rekord: 78 Tage, 2:16h) eher eine Sprintstrecke.

 

Zu den vehementesten Gegnern der Foils zählte ursprünglich Jérémie Beyou, unter anderem aus Kostengründen. Doch dann überzeugten ihn die Zahlen. „Wir haben unser Schiff strukturell nicht groß modifizieren können und deshalb moderate Foils gebaut. Was nützt es einem, wenn man riesige Tragflächen mit enormer Kraft hat, und die zerbrechen dann alles ringsherum?“ Bereits die ersten Tests, noch ohne das Boot zu pushen, lieferten Speeds von 106 Prozent der Polarwerte, „und wir erwarten noch deutlich mehr“, sagte Beyou. Die Verbesserung habe über 400.000 Euro gekostet, doppelt soviel wie geplant. Über die Haltbarkeit der Foils sei das letzte Wort allerdings noch nicht gesprochen.

 

Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird, und schon öfter haben beim Vendée Segler mit „alten“ Booten, die bereits ein- oder zweimal die Runde gemacht hatten, hervorragende Plätze gesegelt. Sam Davies kam 2009 mit ihrer neun Jahre alten Roxy als Dritte ins Ziel (wegen einer Zeitvergütung rutschte sie auf den 4. Platz). Bei der diesjährigen Auflage des Weltrennens ist sie übrigens nicht dabei, sondern lässt ihrem Mann Romain Attanasio den Vortritt. Während er sich an Bord mit den Naturgewalten auseinandersetzt, kümmert sie sich um den gemeinsamen Sohn Ruben. 2020, bei der nächsten Auflage der Hatz alleine um die Welt, wechselt das Paar Davies/ Attanasio dann wieder die Rollen. Ein Novum in der bewegten Geschichte der Regatta, bei der segelnden Frauen selten sind und segelnde Ehepaare bisher nicht vorkamen.
Auch Vincent Riou gewann das Rennen 2004/05 mit einem Gebrauchtboot,  nämlich Michel Desjoyeauxs Foncia aus dem Rennen davor. Desjoyeauxs „preparateur“ war übrigens Riou gewesen. Gute Tuner sind sehr gefragte Leute, sie sind eine Mischung aus Klavierstimmer, Ingenieur und Bootsflüsterer.

 

Riou hat sich für das Rennen 2016/17 nach Rücksprache mit dem Konstrukteur Juan Kouyoumdjian, der die Szene der Volvo 70 beherrschte,  gegen eine Umrüstung auf Foils entschieden. „Juan hat mir erst mal ein paar Tipps gegeben, wie ich mein Boot schneller machen kann“, verrät Riou. Er gewann vor einem Jahr das Transat Jacques Vabre gegen eine Übermacht von Foilern, aber das lag daran, dass alle Foiler bei ihrem ersten Härtetest wegen Strukturschäden ausschieden oder langsam segeln mussten.

 

Ob ein Boot erprobt ist oder nicht, ist beim Vendée ein entscheidender Punkt. Das ist der Grund, warum Skipper ihre neuen Boote möglichst zum Transat Jacques Vabre (TJV) ein Jahr davor fertig haben wollen, denn sie brauchen zwei, drei Transatlantik-Regatten und kleinere Races, um ihre Boote an die Belastungsgrenzen zu führen und an Schwachstellen zu verstärken. Beim TJV 2015 brachte Armel Le Cleac’h seine neue Banque Populaire VIII immerhin bis ins Ziel, als einziger Foiler. Wobei auch an diesem Schiff „alles kaputt gegangen war, was man nicht auf den ersten Blick sehen konnte“, wie ein Teammitglied verriet.

 

Aber auch lange Erprobung schützt vor Schaden nicht, wie Marc Guillemot beim letzten Rennen mit Safran feststellen musste. Sein Kiel aus einer Speziallegierung brach fünf Stunden nach dem Start ab, obwohl er vorher 25.000 Meilen Training problemlos absolviert hatte. Etwas mehr Glück hatte Alex Thomson vor dem jetzigen Vendée. Einer seiner neuen Foils brach im Training, sodass er problemlos auf die bewährten Krummschwerter der ersten Generation zurückgreifen konnte.

 

Beim Vendée 2016/17 ist die Crème de la crème der Hochseeszene am Start, sturmerprobte, nicht mehr ganz junge Männer (Altersdurchschnitt: 44). Das Vendée ist ein Rennen, das seinen Skippern zwar Kraft abfordert, aber noch wichtiger sind Ausdauer und Vernunft. Das ist der Grund, warum Frauen ebenso gute Chancen wie Männer haben.  Ellen MacArthur fuhr 2001 auf den 2. Platz, Sam Davies und Dee Caffari fuhren vorne mit. Obwohl ein Imoca-Racer jedem normalen Segler wie ein rasendes Monster erscheint, sind die Schiffe beherrschbar, wenn man sie nicht überfordert. Sie segeln sich unter gemäßigten Wetterbedingungen sogar recht gemütlich, denn bei aller Leistungsfähigkeit sind sie so konzipiert, dass die Kräfte der Crew geschont werden. Ein Haufen Arbeit bleibt es trotzdem. Vor allem mit höchstkarätiger Konkurrenz im Nacken.

 

Unter den Teilnehmern 2016/17 ist Armel Le Cleac’h, der zweimal bereits den 2. Platz beim Vendée gemacht hat, ein Ausnahmesegler. Und Kito de Pavant, der Veteran. Der alte „König“ Jean Le Cam, der dreimal das schwierige Figaro und ungezählte Regatten gewann, der Formel-40-Weltmeister war und von Beginn an in der Multihull-Szene mitmischte. Vincent Riou barg ihn 2009 bei Kap Hoorn aus seinem gekenterten Boot. Sie haben danach gemeinsam das Transat gewonnen. Spaßvogel Le Cam war es, der Riou in der Szene den Beinamen „der Schreckliche“ verpasst hat, weil Riou für ihn der rundum perfekte Segler ist. Aber auch Sébastien Josse, Jérémie Beyou, Tanguy de Lamotte, Jean-Pierre Dick und Paul Meilhat sind Namen, die jeder französische Segler mit Regattaerfolgen verbindet.

 

Unter den 30 Schiffen sind sechs neue Foiler: Banque Populaire (Armel Le Cleac’h), Edmond de Rothschild (Sébastien Josse), Hugo Boss (Alex Thomson), No Way Back (Peter Heerema, Vendée-unerfahren), Safran (jetzt mit Morgan Lagraviere) und St. Michel – Virbac (Jean-Pierre Dick). Dazu zwei Schiffe, die mit Foils nachgerüstet wurden: Maitre CoQ (Jérémie Beyou) und Queguiner – Leucemie Espoir (Yann Elies). Ihnen gegenüber stehen 21 Schiffe mit konventionellen Steckschwertern. Alle haben hydraulisch verschwenkbare Canting Keels, die bei neuen Schiffen alle die gleiche Stahlfinne haben. Auch die Masten wurden vereinheitlicht, die Skipper können zwischen einem Profilmast und einem feststehenden Mast wählen. Es ging der Imoca-Klassenvereinigung darum, einen Waffenstillstand in der Materialschlacht zumindest an diesen beiden Fronten zu erreichen. Mast und Kiel bringen viel, und deshalb gehen die Konstrukteure hier an die Grenzen – was in der Vergangenheit zu diversen Mastbrüchen und Kielverlusten führte.

 

Die Nicht-Foiler haben also allein durch ihre Überzahl eine gute Chance, vorn mitzumischen, zumal unter ihnen nicht nur technisch überholte Schiffe sind. Einige der Skipper haben sich ganz bewusst gegen die „Dali-Schnurrbärte“ entschieden. Vincent Riou ist davon überzeugt, mit seiner PRB ein sehr schnelles, ausgereiftes Boot zu haben. Paul Meilhats SMA ist ein konventionelles Boot, allerdings sehr schnell. Unter Francois Gabart hat es als Macif das letzte Vendée gewonnen und den gültigen Rekord aufgestellt. Siegerschiffe zu kaufen und weiter zu verbessern ist ein bewährtes Konzept im Vendée. PRB und SMA sind die favorisierten Konkurrenten der Foiler.

 

Es ist unmöglich, die Zahl der Ausfälle vorherzusagen, ein Drittel gilt noch als guter Wert. 1997 beendeten von 16 Startern nur sechs das Rennen, der Kanadier Gerry Roufs blieb verschollen. 2008/09 schieden von 29 Teilnehmern sogar achtzehn aus. Erfahrung, bewährtes Material und penible Vorbereitung mit genügend Zeit sind jedenfalls ebenso wichtig wie Zähigkeit, Wettertaktik und Wachsamkeit in der Nähe von Fischerflotten. „To arrive first, you first have to arrive“ (um als Erster anzukommen, musst du erstmal ankommen) ist eine Segler-Binsenweisheit, die leicht zu merken und schwer zu befolgen ist.

 

Das Vendée war als „die schöne Regatta“, das puristische Einhand-Nonstop-Rennen um die Welt, ins Leben gerufen worden. Mitbegründer Philippe Jeantot waren die Zwischenstopps des britischen BOC auf die Nerven gegangen, die die gewachsene Beziehung zwischen Segler und See immer wieder „brutal“ zerstörten. Manche glauben aber auch, dass der französische Sponsoren-Markt auf Zwischenstopps im Ausland keinen Wert legt, und dass es Zeit für ein französisches Weltrennen war. „Die DNA des Rennens und seine Grundwerte“, erklärte Vendée-Präsident Yves Avinet jetzt vor dem Start, „bleiben von Veränderungen unberührt. Das Konzept einer Einhand-Nonstop-Weltregatta ohne Hilfe von außen versteht jeder. Und deshalb kann jeder den Traum dieser Segler teilen.“