Der Seefahrer

Sir Robin Knox-Johnston

Gut vier Jahrzehnte ist es her, dass ein junger Mann als erster einhand nonstop die Welt umsegelte. Es war keine Regatta, sondern ein Wettlauf der Amateure um die erste Nonstop-Weltumsegelung. Ein junger Seemann namens Robin Konx-Johnston gewann. Mit dem "Velux 5 Oceans", das er veranstaltet, gibt Sir Robin Knox-Johnston die faszinierendste Regatta-Strecke der Welt den Amateuren zurück. Portrait eines phänomenalen Sportsmanns

 

Was teilt ein Weltumsegler, von dem man vier Monate nichts gehört hat, in der Nachricht mit, mit der sich zurück unter den Lebenden meldet? Etwas emotionales, etwas heroisches? Im 29. März 1969 wird Robin Knox-Johnston, 29, südwestlich der Azoren von einem Frachter fast über den Haufen gefahren. Auf der Brücke ist niemand zu sehen. Der Segler holt sein Gewehr raus, gibt ein paar Schüsse ab, worauf ein Mann auf der Brücke erscheint – und das Schiff weiterfährt. Drei Tage später erscheint wieder ein Frachter, Knox-Johnston setzt sein Unterscheidungssignal und die Buchstaben-Flaggen MIK, dann fährt das Schiff vorbei. Weitere Schiffe fahren vorbei, Knox-Johnston driftet gerade durch eine viel befahrene Transatlantik-Route.

 

Dann erscheint der BP-Tanker „Mobil Acme“ über dem Horizont, und dort sieht man die kleine Ketsch, auf der ein einzelner Mann mit einer Lampe blinkt: „British SUHAILI. Round the world nonstop.“

Antwort des Tankers: „Wiederholen Sie bitte den Namen.“

„Suhaili. Melden Sie mich bitte an Lloyd’s.“

„Wird gemacht, good luck.“

 

Wenn ein Schiff verstummt und nicht in der erwarteten Zeit seinen Hafen erreicht oder gesichtet wird, dann gilt es als „überfällig“. An der Versicherungsbörse Lloyd’s in London kann das Risiko des Verlusts dann noch versichert werden, zu sehr hohen Raten. Es ist seitens der Versicherer eine Wette auf ein Wunder, und seitens des Versicherungsnehmers der Versuch, einen fast sicheren Totalverlust etwas abzufedern. Wenn ein Schiff so lange überfällig ist, dass mit seiner Rückkehr nicht mehr zu rechnen ist, wird es für verschollen erklärt und kurz darauf die Versicherungssumme ausgezahlt.

 

Aber „Suhaili“ war einfach nur ein paar Monate verschwunden. Sie war ein kleines, fast wertloses Schiff, an dessen Bordwänden der Rost der Beschläge herableckte. Sie segelte ohne Ladung, mit nur einem Mann Besatzung. Sie war überhaupt nicht versichert. Alle Welt in England interessierte sich für das Schicksal der kleinen Ketsch, nur kein Versicherer. Warum also Lloyd’s?

 

Die unbedeutende Episode südwestlich der Azoren wirft ein Licht auf den Mann, dessen Ruhm in diesem Moment beginnt und bis heute anhält. Für einen Seemann ist Lloyd’s keine Versicherung sondern ein Nachrichtensystem. Zweieinhalb Stunden nach dem Signalwechsel wusste Knox-Johnstons Familie Bescheid, die Freunde und die „Sunday Times“, die das Rennen sponsert. Und dass der Offizier auf dem Tanker „Mobil Acme“ seine Meldung an Lloyd’s mit der Bemerkung „standard of signalling excellent“ abschließt, das freute den Segler besonders, als er nach seiner Ankunft davon erfuhr. Es gab den Angehörigen an Land ja nicht nur einen ersten Hinweis darauf, dass er in guter Verfassung war, sondern es war auch ein Lob von einem Nautiker.

 

Robin Knox-Johnston ist Brite und Sportsmann, aber vor allem: ein Seemann. Er ist als Offizier und Kapitän im Indischen Ozean und in der England-Ostafrika-Fahrt gefahren und war in der Navy Leutnant der Reserve. Er ist glücklich, wenn er später mit aktiven Berufsseeleuten zu tun hat. Er beherzigt bei Südpolarkälte, gebrochenem Steißbein und Erschöpfung den Grundsatz: Das Schiff geht immer vor. Denn nur mit einem schwimmenden Schiff unter den Füßen überlebst du auf See.

 

Bei allem, was er später unternehmen wird, setzt er auf verlässliche Schiffe. Er setzt aufs bestmögliche Material, und er überschreitet, bei allem Pioniergeist, nie die Grenze zum Leichtsinn. Sein Katamaran „Sea Falcon“ erinnert die Zeitgenossen an einen Flugzeugträger, sein Katamaran „British Airways“, mit dem er das Round Britain and Ireland Race gewinnt, ist ein Schwerwetterschiff, das er zwischen den Orkneys und Schottland durch einen Hexenkessel zum Sieg prügelt. „Enza New Zealand“, mit der er und Peter Blake als erste die Jules-Vernes-Marke von 80 Tagen knacken, sieht grazil und schlank aus, aber nur, weil er und sein Partner Peter Blake das ohnehin schnelle Schiff für die rasenden Surfs im Südmeer noch verlängert haben.

 

Seine „Heath’s Condor“, mit der er 1977 als Favorit zum Whitbread Round the World Race startet, hat einen nach achtern gepfeilten Kiel – um unter Spinnaker im Südmeer sicherer auf dem Ruder zu liegen. Dass ein vertikaler Kiel einen besseren Hebel und mehr dynamischen Auftrieb als ein gepfeilter Kiel bietet, weiß er. Später bereute er seine Entscheidung, als klar wird, dass sich auch die schmalen tiefreichenden Kiele sicher beherrschen lassen. Mit der Leistung dieses Schiffes war er, obwohl er nach zwei von vier Etappen Erster im Ziel war, nie ganz zufrieden. Das Heck ist eine Fehlkonstruktion, nur selten kommt das Schiff bei Surfs in den Bereich über 25 Knoten. Und dann zieht es einen fünf Meter hohen „Hahnenkamm“ aus Gischt hinter sich her, was zwar toll aussieht, aber nicht von einem widerstandsarmen Wasserabriss zeugt. Sie werden Letzter nach berechneter Zeit.

 

Die wichtigste Lehre, die er aus dem Whitbread 77/78 zieht, lautet: Nimm dir künftig genug Zeit, am besten sechs Monate fürs Training. Wäre das Schiff früher fertig geworden, wäre der „experimentelle“ Carbon-Mast schon im Training runtergekommen und nicht erst vor Afrika. Man hätte das Heck ändern können. Am Sieger, der holländischen „Flyer“ lobt er die perfekte Vorbereitung. Und trotzdem geht er später noch öfter in die Zeitfalle. Zu viele Dinge, vor allem die Elektronik auf seinem Open 60 „Saga Insurance“ werden erst auf den letzten Drücker fertig – und versagen prompt auf See.

 

Manchmal kann er sich behelfen, manchmal nicht. Auf „Suhaili“ opfert er drei Glühbirnen, um Lötzinn für die Reparatur seines Funkgerätes zu gewinnen, die ihm zunächst auch gelingt. Beim Velux 5 Oceans, das er 2006 im Alter von 67 Jahren segelt („warum tun bloß alle, als hätte man ab 65 nur noch Brei im Hirn!“), lässt ihn seine Wettersoftware im Stich und sein elektrischer Autopilot. Beides Probleme, die er mit mehr Vorbereitungszeit vor dem Start gelöst hätte.

 

Bei Knox-Johnston an Bord sieht es nach Arbeit aus, nicht schick. Alles ist zweckmäßig. Auf „Heath’s Condor“ gibt es ein U-Sofa, aber keinen Salontisch. Sein Open 60 sieht unter Deck wie eine Navigations- und Werkstatthöhle aus. Als er kurz nach dem Start zum Velux 5 Oceans von einem Biskaya-Brecher auf die Backe gelegt wird, kippt nur ein Werkzeugkasten um. Und er ist unter allen Teilnehmern des Rennens derjenige, der beim Eintreffen des Orkans den größten Sicherheitsabstand zu Küste herausgesegelt hat.

 

Als junger Mann – vielleicht zu jung - heiratet er seine Freundin aus Kindheitstagen, Susan. Sie gehen nach Indien, wo er zur See fährt und von einem Kollegen erfährt, dessen Frau mit seiner befreundet ist, dass Sue eine Tochter, Sara, geboren hat. Sein erstes Buch „A world of my own“ hat er Sara gewidmet. Da sind Sue und er bereits geschieden. Obwohl sie hart im Nehmen ist, hat sie seine Fixierung auf die Segelei nicht akzeptiert. Er hingegen fand nichts naheliegender, als mit Frau und Baby und zwei Freunden im selbstgebauten Boot nach England zu segeln. Später heirateten Sue und er wieder, und es wird im großen und ganzen eine gute Ehe. Dann stirbt sie an Krebs, und ihm wird diese Wahrheit erst drei Tage vor ihrem Tod klar, als sie vom Morphium bereits so benommen ist, dass er sich nicht mehr von ihr verabschieden kann. Sie waren 57 Jahre zusammen. Er hadert mit Gott.

 

Zwei Jahre später kehrt er ins Leben zurück. Er ist 66 und da es in seiner Familie 80-, 90- und eine 100-Jährige gibt, muss er wohl noch was tun. Er hat sich mit seiner Firma und Geschäftsfreunden des alten Etappen-Weltrennens „Around Alone“ angenommen, es zum „Velux 5 Oceans“ gemacht, und nun kauft er sich einen Open 60 und geht selbst an den Start.

 

Das öffentliche Wesen Knox-Johnston erklärt sich nicht allein daraus, dass er gute Projekte unternimmt. Er schreibt auch darüber, und er ist ein guter Erzähler. Unaufdringlich, ohne Pathos, faktenreich. Er führt neben seinen Logbüchern separate Tagebücher, weil er findet, dass das, was die Franzosen immer in ihre Logbücher reinschreiben, da nicht reingehört. Er schrieb Bücher über Kap Hoorn und das Kap der Guten Hoffnung, seine alten Bekannten, er schreibt eine Kolumne in „Yachting World“, und er erzählt in Büchern von seinen großen Reisen. Das Buch über das Jules-Verne-Projekt mit Peter Blake, gibt es auch auf Deutsch („In 74 Tagen um die Welt“). Wer sein Englisch ein bisschen auffrischen will – die klare Sprache von „Force of Nature“, „Last but not least“ und „A World of My Own“, dem Bericht über seine Einhand-Nonstop-Weltumsegelung, ist ein Genuss.

 

Knox-Johnston 2010 auf dem Solent
Knox-Johnston auf "Grey Power"

Es gibt Dinge, die er nicht an die große Glocke hängt. Das „Golden Globe“ Race von 1968/69 hat er gewonnen, weil er als einziger ans Ziel kam und folglich auch der erste war. Die Teilnehmer dieses merkwürdigen Rennens starteten nach Belieben innerhalb eines Zeitfensters, die schnelleren Boote etwas später, um das Südmeer im Hochsommer zu passieren. Knox-Johnston lag vorn, aber Bernard Moitessier war schneller als er. Allerdings fuhr der Franzose nach Kap Hoorn weiter in die Südsee („es sieht aus, als ob Moitessier nochmal rum will“, notierte Know-Johnston, als er die Nachricht im Funk hörte). Somit bekam Knox-Johnston als erster und einziger Finisher auch noch den Preis für die schnellste Weltumsegelung. Er spendete die 5000 Pfund den Hinterbliebenen des verschollenen Donald Crowhurst.