Es gibt gefühlt 320 Weltumsegler-Bücher, von denen gefühlte 270 davon handeln, dass ein Ehepaar um die Welt gesegelt ist. Was durchaus begrüßenswert ist. Unlängst wurde mir ein Buch zum Thema "Leben unter Segeln" zugeschickt, dass sich schon dadurch von der Masse der LuS-Literatur abhob, dass der Autor es unterlassen hat, um die Welt zu segeln, und trotzdem über sein Leben auf dem Wasser schreibt.
Detlef Jens ist unter Wassersport-Autoren nicht ganz unbekannt, er hat diverse Bücher herausgeben oder selber geschrieben und Zeitschriften produziert. Umso überraschter war ich, dass ich einige Dinge über ihn erfuhr, die er bis dato nicht an die große Glocke gehängt hat. Nämlich, dass er ein segelnder Tramp ist (die Älteren werden den Begriff noch kennen). Das Leben eines Tramps ist nicht bequem, und seine Freiheit wird durch Disziplin in nautischen Dingen und Verzicht auf sogenannten Komfort erkauft.
Detlef Jens lebt (auch heute noch) überwiegend auf dem Wasser. Obwohl er einige Zeit als Deckshand in der Karibik verbracht hat, ist Europa sein Revier. Er segelt an der iberischen Halbinsel, in der Biscaya, vor allem aber in der Nordsee und in den Gewässern um England. In seinem Buch erwähnt er auch, dass er das berüchtigte Fastnet '79 mitgesegelt, wobei er allerdings nicht erwähnt, dass sie darauf verzichtet haben, gegen den Orkan das letzte Stück bis zum Felsen aufzukreuzen und sich lieber dem Überleben gewidmet haben.
England ist sein zweites Zuhause, er hat für den Reeds gearbeitet und in dieser Funktion die Häfen an Europas Küsten abgeklappert. Er hat Freunde dort und in Frankreich, und einige sind ziemlich schräge Vögel. Dürfen Segler und Seeleute aber auch sein.
Während Weltumsegler-Bücher bei mir eigentlich keine große Sehnsucht mehr auslösen, tat "Land's End" dies sehr wohl. Es erinnert mich an meine frühere Segelei auf der Elbe und ihren kleinen Nebenflüssen, an die Nordsee, an meine viel zu seltenen Ausflüge an sonstige westeuropäische Küsten. Denn das Buch zeigt: man kann tatsächlich auf dem Wasser leben. Auch in Europa. Man muss nur ein paar Abstriche beim Landleben machen.
Bevor ich zu viel übe verpasste Gelegenheiten nachdenke, verschenke ich das Buch zu Weihnachten. Und widme mich dem zweiten Erinnerungsband, "Hafentage", in dem Jens beschreibt, wie er als Segler auf dem Wasser sesshaft wird. Nicht auf einem Hausboot, sondern auf einem fahrtüchtigen Schiff. Das eine oder andere darin kommt mir aus dem ersten Band bekannt vor, aber das ist nicht verwunderlich - beim Segeln an Europas Küsten begegnet man nun mal Leuten, die im Hafen leben. Das Leben auf dem Wasser, soviel habe ich schon mitgekriegt, will gelernt sein. Vor allem an deutschen Küsten, wo zu den den Gefahren der See noch die Bürokratie hinzukommt.
Wenn ich damit durch bin, an dieser Stelle mehr!
Hans-Harald Schack ist Journalist und segelt. Er schreibt Magazin-Reportagen und Bücher, macht Lektorate und Übersetzungen. Mit dem Clipper Round The World Race segelte er von China nach San Francisco und durch den Panama-Kanal in den Atlantik. Sein Web-Log und Reportagen darüber gibt es als e-Book und als Buch: "Von Qingdao nach New York". Zur Zeit ist er mit dem 1971 gebauten S&S-Halbtonner "Topas" in Nordeuropa unterwegs. Das Schiff ist übrigens zu verkaufen!