Reisetagebuch 03.04.2014

Das bisschen Haushalt - 19. Tag auf See

Switzerland ClipperRace

In den Weiten des Nordpazifik, Tausende Meilen von San Francisco, Hawaii und Japan entfernt, duftet es nach warmem Brot. Fred hat auf unserer mit 12 Knoten segelnden Menscheninsel den Backofen angeworfen. Um zwei Uhr morgens verarbeitet er 1000 Gramm Weizenmehl, vier Löffel Hefe,  zwei Löffel Zucker, 8 Milliliter Öl und 600 Milliliter Süßwasser zu einem Teig, den er zweimal knetet und nach einer Stunde in den Ofen schiebt. 50 Minuten später ist das fantastische Original Switzerland Hochseebrot fertig.

 

Fred und ich sind die mothers des Tages. Er fängt um 0200 Uhr an, ich stehe um 04.30 Uhr auf und serviere mit ihm ab fünf Uhr Frühstück für die Backbordwache (meine Wache), die um viertel vor Sechs an Deck steigt, wo um sechs Uhr offiziell ihr Dienst beginnt. Dann kommen die anderen nach unten, pellen sich aus ihrem Ölzeug und wollen rasch frühstücken, um dann schnell in die Koje zu verschwinden. Während meine Wache an Deck arbeitet, habe ich unter Deck Dienst. An kalten Regentagen mit Wind von vorn durchaus ein Gewinn! Heute ist es kalt, der Wind kommt raumschots und es regnet hin und wieder. Fred und ich versorgen die Steuerbordwache, waschen ab, und dann geht auch Fred in die Koje. So geht es den ganzen Tag, 20 Stunden lang, von 2.00 bis 22.00 Uhr. Theoretisch arbeitet jeder von uns zehn Stunden, aber durch die Überschneidungen ist es natürlich mehr. Macht auch nichts.

 

Mittags habe ich Wraps mit Thunfischsalat und Reis gemacht, Fred abends Reis mit Kichererbsen und Gemüse. Und die Leute haben Unmengen von heißen Getränken, Suppen und Broten nebenbei verputzt. Als letztes habe ich den Küchenfußboden (die galley floorboards) gewischt und den Müll rausgebracht.

 

Müll rausbringen geht so: Der Eimer mit den biologisch abbaubaren Abfällen, vor allem Essensresten, wird über Bord gekippt, der gereinigte Plastikmüll im Müllsack verpackt und mit Klebeband verstärkt in der crashbox verstaut.

 

Ich bin also mit Stirntaschenlampe in den Bugraum gegangen und habe die Schrauben am Luk des vordersten Kollisionsschotts gelöst, das Luk abgenommen, das Müllpaket vorn verstaut, das Luk wieder angeschraubt.

 

Danach gab’s nochmal Heißgetränke beim Wachwechsel und einen Kaffee für mich.

 

Wir kommen immer noch gut voran, sind allerdings auf der Flucht vor drei Flautengebieten. Eines im Süden haben wir wohl erfolgreich umschifft (wenn man das so sagen darf), das andere wird uns vermutlich mit der Kaltfront eines von achtern heranziehenden Tiefs einholen und ein fürchterliches Gedümpel im alten Seegang bescheren. Das dritte lauert dann vor Kalifornien. Warten wir’s ab.

 

Es gibt Fragen, die kann ich im Moment nicht so einfach beantworten. Unser Chefeinkäufer Greg (der vor allem aber auch ein guter Cockpit- und Vorschiffsmann ist), fragte heute mittag: „Harry, weißt du, was für einen Tag wir haben?“ Mein Computer sagt: Freitag, 4. April, 09:54 Uhr. Aber der hat sich die Zeit von Qingdao gemerkt. Wir haben heute die Borduhr um eine Stunde vorgestellt und sind, wie der Kalifornier Doug sagt, jetzt noch vier Stunden hinter San Francisco her, müssen auf den verbeibenden 1600 Meilen also noch viermal umstellen. Dann denke ich mir: Das ganze Problem mit der Datumslinie geht doch nur darum, ob wir mit unserer Ortszeit der Londoner Zeit gedanklich vorauseilen oder ihr hinterherhinken. Also werfe ich einen Blick ins Logbuch, in dem wir den 30. März zweimal hatten, und sage zu Greg: „Donnerstag, 3. April.“ Bei den Chinesen hat halt schon der neue Tag begonnen, in London noch nicht, und in San Francisco erst recht nicht.

Greg: „Thank you, Harry!“

 

Den Race Tracker mit der aktuellen Position der „Switzerland“ sowie den anderen elf Teilnehmer-Booten findet ihr unter http://yb.tl/clipper2013-race10 und hier geht's zum vorherigen Artikel.