Reisetagebuch 28.05.2014

Die Geheimnisse der Skipper

Switzerland Harry Schack Clipperrace

Wir haben zwar traditionell keine Punkte im Scoring Gate gemacht, es war aber ein fantastischer Zweikampf zwischen „Great Britain“ und uns.

 

„Noch 12,7 Meilen bis zum Gate“, sagte Navigatorin Lindsay, und ich setzte mich voller Wettkampfgeist auf die hohe Kante, statt abzuwaschen. Daten-Vorleser Malcolm wurde vom Lee-Steuerstand nach oben geholt, weil er 30 Kilo mehr wiegt als die kleine Alison (genannt „Ali“ und nicht zu verwechseln mit Alysoun, die auch Ali genannt wird). Malcolm nahm neben mir auf der hohen Kante Platz, Ali las an seiner Stelle die Instrumente ab. Wir lesen Speed, Windstärke und Kompasskurs laut vor, damit der Rudergänger nicht mit den Augen am Display klebt und auch alle anderen an Bord über Wind und Kurs auf dem Laufenden sind.

 

GB kämpfte verbissen, versuchte von Lee und von Luv an uns ranzufahren, konnte den Abstand aber nie auf weniger als 300 Meter verkürzen. Die müssen schön sauer gewesen sein. Als wir durchs Gate waren, das einfach nur aus zwei Koordinaten im Meer besteht und folglich unsichtbar ist, brach bei uns Jubel aus, obwohl wir es nicht geschafft hatten, „Derry“ und „Old Pulteney“ zu überholen. Wir hatten sie ein paar Meilen neben uns in Sicht, wie sie hinter „Entenmutter Henri Lloyd“ (Vicky) her segelten. Folke und ich peilten von der hohen Kante aus regelmäßig ihre Lichter, und es sah zeitweise so aus, als läge der Letzte sicher und der Mittlere vielleicht hinter uns.

 

Jedenfalls wird bei uns jede Sekunde auf den Trimm geachtet, und ich habe vorgeschlagen, nachts möglichst sparsam die Lampen einzusetzen, weil das die Trimmer der Konkurrenz nur unnötig auf Trab hält. Die Leute sollen doch auch mal ihre Ruhe haben!

 

Meine „head torch“ haben mir meine Söhne geschenkt. Sie ist lichtstark und damit ideal für meine derzeitige Hauptbeschäftigung  Job als Großtrimmer, weil ich damit noch die Tell Tales (Windbändsel) kurz unterm Masttopp sehen kann.

 

Gestern Abend wäre meine Hauptbeschäftigung eigentlich Abwaschen gewesen, das hat sich durch die Trimmarbeit verzögert. Die neue Organistation des mother-Dienstes hat die Nebenwirkung, dass derjenige, der kocht und Essen anreicht, zwischendurch nicht mehr zum Abwaschen kommt und deshalb ständig neues Geschirr und Besteck verwendet. Wenn dann der nächste dran ist, kann der praktisch alles abwaschen, was wir an Geschirr und Besteck an Bord haben. Bei Lage geht das ordentlich auf den Rücken.

 

Heute haben wir uns nach dem Frühstück darüber unterhalten, warum manche Schiffe so schnell sind. Bei „Great Britain“ vermute ich, dass Skipper Simon, den ich vom Level-3-Training her kenne, manchmal aggressiver segelt, den Spinnaker länger stehen lässt und insgesamt gute Entscheidungen trifft.

 

Mindestens ein Skipper verwendete, bis „Seapro“ als einzige erlaubte Software Vorschrift für alle wurde, ein besseres Wetterroutingprogramm. Bei Eric („Henri Lloyd“), der Meteorologe ist und Mitglied im kanadischen Segel-Olympiateam war, sind wir ziemlich sicher: Der Mann hat das ganze Schiff perfekt getrimmt, trifft keine Fehlentscheidungen, was Wind und Welle angeht und ist auch sonst ein guter Skipper. Ich bin im Level-2-Training mit ihm gesegelt, da fiel mir nur seine Ruhe und seine knappe Wortwahl auf. Von Olli von „One DLL“, den ich nicht kenne, sagen alle, dass er sein Schiff perfekt in Ordnung hat und einfach ein exzellenter Segler ist. Vicky war am Anfang sicher eine unterschätzte Skipperin, seitdem sie sich aber gegen harte Konkurrenz auf Platz fünf vorgearbeitet hat und alles gibt, um ins erste Drittel vorzustoßen, ist ihr der Respekt ihrer Kollegen sicher.

 

Vickys As im Ärmel ist ihre äußert fähige, sympathische und bescheidene Crew.

 

Den Race Tracker mit der aktuellen Position der „Switzerland“ sowie den anderen elf Teilnehmer-Booten findet ihr unter http://yb.tl/clipper2013-race11 und hier geht's zum vorherigen Artikel.

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