Reisetagebuch 04.04.2014

Viertelknoten und andere Kleinigkeiten - Tag 20

Switzerland ClipperRace

Seit meinem letzten Blog sind nur ein paar Stunden vergangen, und es ist eigentlich nichts passiert, außer dass ich ausgeschlafen habe. Durch den mothers-Dienst hatte ich ja eine zusätzliche Freiwache. An Deck sind natürlich sehr wohl Dinge passiert, zum Beispiel wurde der kleinere Spinnaker gegen den größeren ausgetauscht. Das schreibt sich so leicht, aber zusammengerechnet dürften da mehrere Liter Schweiß fließen. Dafür bringt es einen halben Knoten mehr Speed.

 

Andererseits macht das Spinnakerfahren auch Spaß. Es ist ein bisschen wie Riesenjolle segeln, denn die Schot wird, wenn der Seegang dies verlangt, ständig dichtgeholt und gefiert, dichtgeholt und gefiert, dichtgeholt...

Der „Trimmer“ sitzt dann auf der hohen Kante und lässt die Schot ein Stück über die Winsch rutschen, dann ruft er „grind!“, und die Grinder am sogenannten coffee grinder (Kaffeemühle) müssen das eben rausgelassene Stück Schot wieder reinkurbeln. Alles, damit das Segel optimal zieht und nicht am Vorliek einfällt oder den Rudergänger zum Gegensteuern – was wie Bremsen wirkt – zwingt.

 

Der Wind ist schwach geworden, aber wir machen Fahrt und die Segel stehen.

Ich habe keine Ahnung, wie sich unsere Position im Feld verändert hat, gestern Abend waren wir „Old Pulteney“ auf den Fersen.

Auf dem jetzt folgenden Abschnitt dürfte aber noch einiges passieren.

 

Um zu wissen, wo die anderen stehen, müsste ich jetzt in die Nav-Station im Heck. Da ich aber auf der Koje liege und Freizeit habe, verkneife ich mir das.

 

Die Nav-Station ist das Nervenzentrum des Schiffes. Hier sind die Navigationsgeräte, Radar, Kommunikation und die Schalttafeln für die gesamte Elektrik und Technik des Schiffes. Wenn der Rudergänger das Kompasslicht eingeschaltet haben möchte, sagt er seinem „buddy“ (2. Mann) Bescheid, der ruft in der Nav-Station an und sagt: „Mona, kannst du mal das Kompasslicht anmachen?“ – „Aber gern. Over.“

 

Es gibt zwar ein großes Luk, durch das Rudergänger und Navigator(en) direkt miteinander sprechen könnten, aber das ist nur eine Fluchtluke und bleibt sonst geschlossen. Denn eine ordentliche Welle – und die kommt, wenn man nur lange genug unterwegs ist – kann das ganze Schiff in die Petroleumlampenzeit der Segelei zurückkatapultieren und den Schiffseigner um ein paar tausend Pfund ärmer machen.

 

In der Nav-Station werden auch unsere „Stats“, die Statistiken erzeugt, die vor allem „J-M“ (Jacques-Michael) mit dem Enthusiasmus eines Sportreporters vorträgt. Unser Navigationsprogramm wertet nämlich alle Daten der letzten 1800 Sekunden (eine halbe Stunde) aus und stellt sie grafisch dar. Es geht nur um winzige Prozentveränderungen in Kurs, Windrichtung, Fahrt durchs Wasser und Fahrt Richtung Ziel (VMG = velocity made good). Aber diese winzigen Veränderungen sind bedeutsam, wenn wir versuchen, das Schiff „einen Viertelknoten schneller“ zu machen. Klingt nach nichts.

 

Ein Viertelknoten mehr, da sind am Ende des Tages sechs Seemeilen mehr Strecke, und am Ende dieser Etappe 120 Meilen. „Switzerland“ hat beim Ocean Sprint nach Brisbane einen Punkt um fünf Sekunden verpasst, in Albany gingen vier Yachten innerhalb von zwanzig Minuten durchs Ziel.

 

Ich habe gestern zwischendurch mal die Abwassertanks (Bio) ausgepumpt. Das hat uns mindestens einen halben Knoten gebracht.

 

 

Den Race Tracker mit der aktuellen Position der „Switzerland“ sowie den anderen elf Teilnehmer-Booten findet ihr unter http://yb.tl/clipper2013-race10 und hier geht's zum vorherigen Artikel.