Reisetagebuch 05.04.2014

Über die Nässe - Tag 21 auf See

Switzerland ClipperRace

Beim Abendwachwechsel um 18 Uhr las Vicky zur Abwechslung mal aus ihrem Skipper’s Blog vor. Sie hatte sich einen nassen, frustrierenden Vormittag von der Seele geschrieben.

 

Wenn es regnet, während man rauschende Fahrt Richtung Ziel macht, nimmt man’s nicht so wahr, wenn man aber auf der Stelle treibt und Mühe hat, den Bug in eine bestimmte Richtung zu halten, ist Regen eine Plage. Für mich war’s halb so schlimm, denn ich habe den größten Teil des Wind- und Regenlochs verschlafen. Freiwache! Als ich an Deck erschien, klarte es gerade auf und Wind setzte ein, deswegen war meine Wahrnehmung des Tages eine viel positivere.

 

Dafür hat’s uns heute auf der Vormittagswache erwischt. Regen, Kälte und wenig Wind (immerhin besser als Flaute). Unsere Hände sehen vielleicht aus!

Jedes Stück Hornhaut ist weiß aufgequollen. Glücklicherweise gibt sich das innerhalb von einer Stunde wieder, und ich tröste mich mit der Vorstellung, dass der Mensch entwicklungsgeschichtlich eh ein wasserresistentes Wesen ist, das wochenlang durch Regenwälder und Salzwiesen stapfen kann, ohne Schaden zu nehmen.

 

Ich frage mich zwar nicht, woher das ganze Wasser kommt (das kann ich mir schon denken), sondern wie es den Weg in die Klamotten, den Schlafsack und das Innere des Ölzeugs findet. Es muss eine Art Kapillarwirkung sein.

Ölzeug zieht Wasser an, und wenn’s regnet, steigt es in den Ärmeln empor wie in der Rinde eines Baums. Es ist ausgeschlossen, seine Kleidung wochenlang trocken zu halten, es sei denn, man schweißt sie wasserdicht ein. Man hat die Wahl zwischen „kaum feucht“, ein bisschen, mehr, ziemlich und sehr feucht und nass (Feuchtigkeit > 100 %).

 

Meine Musto-Sachen – vor allem die Ärmel – trocknen während des Mittagessens und des anschließenden Blog-Schreibens. Die etwas feuchten Opossum-Wollsocken tausche ich gegen kaum feuchte aus, das ist fast, als ob man in trockene Sachen steigt. Andere Sachen werden ausgewrungen (Stirnband, Handschuhe) und so verteilt, dass sie die Stufen abnehmender Feuchtigkeit hinabsteigen, bis sie wieder tragbar sind. Und dann werden sie einfach trockengetragen.

 

Über nasse Segel, nasses Ölzeug, Kochdampf, den Atem von 19 Leuten und hin und wieder einen Brecher an Deck, der reichlich Spritzer in den Niedergang verteilt, kommt ständig Wasser ins Boot. Wir checken deswegen einmal pro Wache die Bilgen und pumpen sie aus und nehmen den Rest Wasser, der sich der Pumpe entzieht, mit einem Schwamm auf. Mit einem anderen Schwamm, auf den jemand mit Permanent-Marker „Condensation only“ geschrieben hat, wischen wir das Tropfwasser von der Decke. Die Tropfen, die dem Schwamm entkommen sind, fallen ins Essen oder in die Laptops der Freiwache.

 

Ein wichtigstes Mittel im Kampf gegen die Feuchtigkeit sind Ölzeug-Strategien. Wenn man unter Deck kommt – sofort Schwimmweste, Lifebelt und Jacke ausziehen. Dann die Ölhose so weit herunterziehen, dass der Hosenboden noch Schutz gegen Nässe auf Sitzflächen gewährt und die nassen Hosenbeine abgedeckt sind, während man sich die Stiefel auszieht. Stiefel beiseite, Hose komplett aus, und das ganze so im „wet locker“, dem offenen Ölzeugfach, aufhängen, dass man sich nicht komplett am eigenen oder anderer Leute Ölzeug einnässt.

 

Und wenn doch – einfach ingnorieren. Es lebt sich alles wieder warm und trocken.

 

PS.: Wir liegen nach unseren Informationen immer noch – oder schon wieder – auf dem 8. Platz. Hoffentlich machen wir im Regen-Flaute-Leichtwind-Spiel ein paar Plätze gut. Für die nächsten 48 Stunden ist wieder viel Wind (40 kn +) angekündigt.

 

Den Race Tracker mit der aktuellen Position der „Switzerland“ sowie den anderen elf Teilnehmer-Booten findet ihr unter http://yb.tl/clipper2013-race10 und hier geht's zum vorherigen Artikel.